Mit das wichtigste auf einem Flugplatz sind intakte und gut gepflegte Landebahnen. Sie sind der Garant, dass die Flugzeuge ohne Schwierigkeiten sicher starten und landen können. Das gilt im zivilen, sowie im militärischen Bereich. Deshalb werden sie immer wieder einer ständigen Prüfung unterzogen und festgestellte Schäden können somit, schnellstmöglich beseitigt werden.

Genau jene Arbeiten hatte sich das Taktische Luftwaffengeschwader 71 „Richthofen“ vom 16.06.-15.07.2020 auf seinem Plan geschrieben. Für den vierwöchigen Zeitraum war vorgesehen, kleinere Beschädigungen auf den Rollwegen und der Start- und Landebahn zu entfernen. Die Sichtung und Instandhaltung der Fluganlage gehörte ebenfalls dazu.

Doch bevor das Vorhaben in die Tat umgesetzt werden konnte, war zunächst die vorübergehende Verlegung der vor Ort agierenden QRA (Quick Reaktion Alert), mit insgesamt 300 Soldaten und Soldatinnen sowie 60 Brandschutzkräfte der Fliegerhorstfeuerwehr zum Taktischen Luftwaffengeschwader 73 „Steinhoff“ in Mecklenburg-Vorpommern, Standort Rostock- Laage notwendig. Ein unabdingbares Muss, um den weiteren Einsatz der QRA zu gewähren.

Beide Geschwader behaupten sich im Norden des Landes. Das TaktLwG 73 „S“ ist geografisch im östlichen Teil stationiert, das TaktLwG 71 „R“ im westlichen Teil, im Bundesland Niedersachsen bei Wittmund. Beide Bundesländer grenzen einander an, so gesehen ein „Katzensprung“ für das TaktLwG 71 „R“.  Eine weitere Sache was sie verbindet, sie nutzen das gleiche Waffensystem vom Typ Eurofighter Typhoon. Der Fliegerhorst in Rostock-Laage war für die Wittmunder so gesehen, der ideale Ausweichplatz. Somit konnte sich das Geschwader an der weiteren Sicherstellung der Alarmrotte beteiligen und gleichzeitig unterstützend am täglichen Trainings- und Ausbildungsbetrieb mitwirken.

Auf eine, von mir zuvor gerichtete Anfrage für eine kurze Berichterstattung, bekam ich vom Kommodore Oberst Joachim Kaschke vom TaktLwG 73 „S“ die Sondergenehmigung, bei den ersten zwei Tagen der Ankunft dabei zu sein. Ich machte mich also mit auf dem Weg.

Ankunft in Laage

Am Dienstag, den 16.6.2020 machten sich vom Wittmunder Geschwader insgesamt 8 Waffensysteme vom Typ Eurofighter, gesplittet in 2 vierer Flight´s, auf den Weg Richtung Mecklenburg-Vorpommern. Jede Gruppe nutzte dafür ein anderes Zeitfenster. Die ersten 4 Maschinen mit den Kennungen 30+12 / 30+02 / 30+32 / 30+05 trafen am Vormittag auf dem Flugplatz Rostock-Laage ein.

Wir standen mit unseren Kameras bereits in Stellung und warteten auf ihre Ankunft. Unsere Augen richteten sich dabei immer wieder suchend zum Himmel. Mit einem geschulten Blick sahen wir sie plötzlich am Horizont auftauchen.

Schnell kamen sie immer näher, bis sie sich in perfekter Reichweite unserer Teleobjektive befanden. Wir setzten an, nun hieß es blitzschnell sein und nacheinander alle Maschinen zielsicher mit der Kamera unter Beschuss nehmen. Dabei auch drauf zu achten, sie fotografisch bestens in Szene zu setzen. Was uns nach Betrachtung unserer Aufnahmen ganz gut gelang. Bei der anstehenden Landung vollzog jede Maschine noch einen sogenannten Touch and Go. Hierbei setzen die Flugzeuge nur wenige Sekunden auf der Landebahn auf und starten dann sofort wieder durch. Für uns Fotografen ein gern gesehenes Highlight. Noch einmal wurden wir und unsere Technik gefordert. Schließlich setzten alle vier zur endgültigen Landung an und mit Aufsetzen der letzten Maschine, waren für uns die ersten Fotos vollbracht.

Die andere Hälfte der Eurofighter mit den Kennungen 30+33 / 30+98 / 30+06 / 30+82 ließ noch eine Zeit auf sich warten. Am Nachmittag konnten auch sie vom Gastgeschwader begrüßt werden. Auch sie absolvierten bei ihrer Landung einen Touch and Go. Wieder wurde von uns volle Bereitschaft und Körpereinsatz gezeigt. Unsere Belohnung, viele hervorragende Fotos. Die letzte Maschine war gelandet und damit die vorübergehende gemeinsame Kooperation beider Geschwader besiegelt.

Hohe Sicherheit im QRA Bereich 

Der zweite Tag sollte den Adrenalinspiegel bei uns steigen lassen. Wir standen an den Sixpack´s (hier lediglich 4) der QRA im Alpha Bereich im östlichen Teil des Flugplatzes, wo vier der acht entsandten Eurofighter vom TaktLwG 71 „R“ mit scharfer Bewaffnung abgestellt waren. Neon orange Tafeln an den Boxen mit Aufschrift „VORSICHT – Luftfahrzeug aufmunitioniert“, wiesen unmittelbar darauf hin, dass sich explosive Munition im Einsatz befindet. Dieser Bereich gilt als besondere Sperrzone. Er unterliegt strengsten Sicherheitsmaßnahmen und wird rund um die Uhr mit Bewegungsmeldern und Videotechnik überwacht. Der Zutritt ist nur autorisiertem Personal gestattet. Für uns ein Privileg, an dieser Stelle stehen zu dürfen.

Vor einer Alarmierung der QRA bekamen wir durch Hauptmann Erik Pflanz aus dem Presse- und Öffentlichkeitsbereich und einem gerade anwesenden Wart eine ausführliche Einweisung über das Verhalten innerhalb des Bereichs, über das Fotografieren – nur genehmigte Aufnahmen und das Vorgehen bei einem Notfall. Anschließend warteten wir gemeinsam auf den ersten TANGO Scramble des Tages. Der im Gegensatz zum ALPHA Scramble nur eine Übung darstellt, aber trotzdem dem NATO Standard unterliegt. Vom Ertönen der Sirene bis zum Einfahren der Räder an der Maschine dürfen maximal 15 Minuten vergehen, so sieht es die NATO- Vorgabe beim Quick Reaction Alert (QRA) vor.

Mindestens zwei Mal trainieren das TaktLwG 71 „R“ und das TaktLwG 73 „S“ gemeinsam für diese Vorgabe und stellen sich immer wieder damit auf den Prüfstand.

Tango Scramble – Geschwader auf dem Prüfstand

Unvermittelt laut schrillte plötzlich die Alarmsirene los und die orangenen Rundumleuchten an den Boxen setzten sich in Betrieb. Es ging los, Einsatz für die Piloten der QRA. Vorausschauend auf das Ereignis, hatten wir unsere Kameraausrüstung bereits startklar gemacht. Binnen weniger Sekunden waren wir bereit. Kurz darauf eilten zwei Piloten, bereits in voller Montur ausgestattet von ihren Einsatzräumen zu den nur wenigen Metern entfernten Boxen. Dabei wurden sie von der Wartungscrew begleitet. Vor Ort standen bereits zwei vollgetankte und bewaffnete Waffensysteme für sie bereit. In den Boxen nebenan lauerten zwei weitere Maschinen, die im Ernstfall als Ersatz dienen oder zur Unterstützung herangezogen werden können, 7 Tage die Woche, 24 Stunden rund um die Uhr verfügbar. Rasch hatten die beiden Piloten ihre Cockpits erklommen und mit ein paar Handgriffen ihre Druckanzüge in den sie steckten, mit den Anschlüssen der Maschine verbunden. Währenddessen hatte die Wartungscrew die APU (Auxilary Power Unit) und die Bordelektronik gestartet und eingeschaltet. Nun galt für beide, sich auf die wesentlichen Punkte der Checkliste zu konzentrieren. Wenige Sekunden später starteten sie die Triebwerke. Der Lärm, der von den beiden Eurojet-EJ200-Triebwerken erzeugt wurde, war trotz Gehörschutz noch sehr ohrenbetäubend. Da im Einsatz jede Minute zählt, vollzogen Wartungscrew und Piloten den Last Chance Check gleich vor Ort in den Boxen. Dann gaben sie sich gegenseitig das Zeichen „alles Ok“. Die Technik war bereit. Im Anschluss folgte von den Warten das Zeichen zum Rollen.

Mit wenig Schub setzten die beiden Piloten ihre rund 11 Tonnen (Leergewicht) schweren Waffensysteme in Bewegung. Wir standen nur wenige Meter von den Flugzeugen entfernt und spürten die schiere Kraft am ganzen Körper, die von ihnen ausging, imposant und zugleich respekteinflößend. Außerhalb der Boxen legten sie noch einen vorläufigen Stopp ein und warteten auf die LineUp Freigabe, für ein direktes Aufrollen auf die Startbahn.

Die Sicherheitsstifte der externen Bewaffnung (2 x IRIS-T) werden an den Multi Function Rail Launchern (MFRL)-Unterflügelstation entfernt. Der Ground Safety Pin dient der elektronischen Sicherung, er unterbricht das Abschussfreigabesignal und das Anzündsignal. Die zweite Sicherung ist die mechanische Verriegelung für den Forward Latch. Er verhindert bei ausgelöstem Raketenmotor, dass sich der Lenkflugkörper von der Rail bewegt.

Damit war ihre Bewaffnung scharf gestellt und der Bereich um die Maschinen eine große Sperrzone. Es folgte ein letzter Gruß von den Warten und die Piloten rollten mit ihren Maschinen der 30+06 und 30+12 auf direktem Weg zur Bahn.

Aufmerksam und mit scharfen Blick hatten wir das ganze Geschehen beobachtet. Jede für uns interessante Szene geriet zunächst ins Visier unserer Kamera. Jedoch unter strikter Einhaltung der Vorschriften (fotografieren sicherheitsrelevanter Handlungen verboten), hielten wir nur, zuvor freigegebene Aktionen für uns als Foto fest. Trotz dieser, für uns verständlichen Einschränkung konnten wir dennoch eine Vielzahl guter Fotos am Ende verbuchen.

Ein Start ins Ungewisse

Das Aufrollen auf die Startbahn war nach wenigen Sekunden gemeistert und die Freigabe für den Start ließ nicht lange auf sich warten. Im Handumdrehen war sie vom Tower gegeben und die Flugzeuge zogen los. 

Da es sich dabei um eine Übung handelte, wurde die Technik ein wenig geschont und der Start mit einer Einschränkung durchgeführt. Die Piloten erhielten vom Tower nur die Freigabe für einen Buster-Takeoff, das bedeutete, sie starteten ohne Nachbrenner (Gate-Takeoff). Beim ALPHA Scramble würde er jedoch zum Einsatz  kommen. Bei strahlendem Sonnenschein hoben beide Maschinen gen Westen ab.

Kurz nach ihrem Start werden die Maschinen vom CRC (Control and Reporting Centre) der militärischen Luftraumüberwachungszentrale per Radar überwacht. Von dort erhalten die Piloten nach Ihrer Authentifizierung ihre weiteren Instruktionen.

Der dortige Controller (Jägerleitoffizier), übermittelt den Piloten binnen weniger Sekunden die wesentlichsten Informationen, wie aktuelle Position und Geschwindigkeit ihres Zieles und ihre dazu gehörende Aufgabe. Eine weiterführende Beschreibung finden Sie auch unter https://www.bundeswehr.de/de/sicherheit-im-luftraum-der-luftwaffe-entgeht-nichts–135310

Bis zu diesem Zeitpunkt besaßen die Piloten keinerlei Information. Sie müssen sich nun mehr in wenigen Minuten auf die neue Situation mental einstellen, die einströmenden Informationen korrekt verarbeiten und ihren Auftrag ohne Verzögerung erfüllen. Hut ab, für diese Leistung.

Nach ca. einer Stunde landeten die beiden Eurofighter wieder sicher auf dem Fliegerhorst in Laage. Die anschließende Sicherung der Maschinen, erfolgte westlich des Flugplatzes im Bravo Bereich. Doch noch war die Übung für die Piloten nicht beendet. Auf Beide wartete die Nachbesprechung mit Übergabe des Fotomaterials, das im Flug von einer Kamera im Cockpit aufgezeichnet wird. In der Besprechung wird der Flug noch einmal durchgegangen, analysiert und ausgewertet. Damit erhalten die Piloten ein direktes Feedback zu ihrem geleisteten Einsatz.

Hinter den Kulissen

Nach Abschluss der Übung begleiteten wir das Team vom TaktLwG 73 „S“ noch an diverse Stellen hinter die Kulissen. Wir bekamen dort einen kleinen Einblick in die Aufgaben und dazugehörigen Tätigkeiten, die nach einem Flug anstehen.

Dazu zählt z. B. die Inspektion nach dem Flug und das Betanken der Maschinen.

Einer Betankung konnten wir direkt bei wohnen. Wir beobachteten, wie eine gerade gelandete Trainingsmaschine 30+77 in wenige Minuten, rund 4400 Liter Kerosin vom Tankfahrzeug in Empfang nahm. Die Zuführung des Treibstoffes erfolgte dabei über einen Schlauch, der eine Dicke besaß, wie ein männlicher muskulöser Oberarm. Das war schon beachtlich. Außerdem erhielten wir die Möglichkeit mit Philipp Callsign „LARI“  dem Piloten der 30+77 des hiesigen Geschwaders zu sprechen. Er hatte sich die Zeit nach seinem Flug genommen, mit uns ein paar Worte zu wechseln. Eine interessante Begebenheit.

Für uns endete ein sehr interessanter zweitägiger Aufenthalt am Standort Rostock/Laage und damit auch die Berichterstattung über die Verlegung der QRA vom Taktischen Luftwaffengeschwader 71 „Richthofen“.

Wir bedanken uns beim Kommodore Oberst Joachim Kaschke vom TaktLwG 73 „S“, sowie beim Kommodore Oberst Kai Ohlemacher vom TaktLwG 71″R“ und bei allen Kollegen, die uns mit Rat und Tat und Erklärungen zur Seite standen. Wir bedanken uns für die genehmigte Berichterstattung und für diesen sehr aufschlussreichen Einblick hinter die Kulissen der QRA Übung. Wir wünschen Allen, bleiben Sie in der aktuellen Situation gesund.

https://www.bundeswehr.de/de/organisation/luftwaffe/aktuelles/alarmstart-an-der-ostsee-qra-fliegt-von-laage-aus-1857270

Categories: Berichte

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